Im Jahr 1999 haben die jungen Regisseure Daniel Myrick und Eduardo Sánchez mit dem revolutionären „Blair Witch Project“ sowohl einen der erfolgreichsten No-Budget-Filme aller Zeiten, als auch einen noch bis heute andauernden immensen Kult erschaffen. Ein Grund, weshalb der Streifen einen solchen Erfolg an den Kinokassen verbuchen konnte, liegt mit grosser Gewissheit auch an dem Umstand, dass im Vorfeld eine unglaubliche Geschichte im Internet die Runde gemacht hat:
So sei in den gigantischen Wäldern von Maryland das Material einer verschwundenen Crew von Dokumentar-Filmern gefunden und von einem Verleiher aufgekauft worden, welcher dieses letztendlich auch in die Kinos brachte. Es zeigt die jungen Leute, die in der Kleinstadt Burkittsville Nachforschungen über den Mythos einer unheimlichen Hexe anstellen, die in der Gegend ihr Unwesen treiben soll. Schließlich verliert sich die Gruppe im Wald und wird Zeuge einer Reihe unheimlicher Vorfälle, bevor Schreie ertönen, die Kamera zu Boden fällt und der schockierte Zuschauer ohne wirkliche Aufklärung im dunklen Saal zurückgelassen wird.
Natürlich hat sich das Ganze schließlich als ausgeklügelter PR-Gag herausgestellt, der geschickt auf den Voyeurismus der Zuschauer gesetzt hat, indem er sie an angeblich wahren Ereignissen hat teilnehmen lassen.
Dieses Konzept ist zwar nicht gru
ndlegend neu gewesen, da der italienische Regisseur Ruggero Deodato bereits 1980 mit dem angeblich semi-dokumentarischen Kannibalen-Film „
Cannibal Holocaust (Nackt und Zerfleischt)“ die Kinogänger, Zensurbehörden und Richter schockiert hat, doch die Konsequenz, mit welcher „Blair Witch Project“ einen eigenen Mythos kreiert hat, bleibt bis heute unerreicht.
Nun sorgt eine neue Produktion in Genre-Kreisen für Furore, die, wie die genannten Vorgänger, ebenfalls auf den Charakter einer angeblichen Dokumentation setzt, aber sich im Vorfeld nicht gerade bemüht hat, das Ganze den Leuten als real anzupreisen.
Bei dem betreffenden Film handelt es sich um eine moderne Zombie-Geschichte mit dem Titel „[Rec]“, welche von den beiden spanischen Regisseuren Jaume Balagueró und Paco Plaza inszeniert worden ist. Die Story ist denkbar einfach, denn streng genommen gibt es nicht einmal eine im klassischen Sinne:
Eine Reporterin möchte eine Sondersendung über einen typischen Dienst bei einer Feuerwehrwache machen. Dem Zuschauer werden in Interviews einige der Männer vorgestellt, und da es zunächst zu keinem Einsatz kommt, verbringen diese ihre Zeit mit Basketball-Spielchen. Doch aus heiterem Himmel ist es soweit: Das Alarmsignal erklingt, und die Retter rasen mitsamt ihren prominenten TV-Gästen los, um einer alten Frau zu helfen, die in ihrem Apartment eingeschlossen ist.
Was zunächst nach einem Routineeinsatz aussieht, entwickelt sich zu einem scheinbar ausweglosen Albtraum, denn als sie nach dem Aufbrechen der Tür der blutverschmierten Dame Hilfe leisten wollen, geht diese auf einen Feuerwehrmann los und reisst ihm mit ihren Zähnen eine klaffende Wunde in den Hals – scheinbar hat sich in dem Mehrfamilienhaus ein unbekanntes Virus ausgebreitet, das Menschen in gefährliche Bestien verwandelt. Allerdings gibt es nun kein Entkommen mehr aus dem Gebäude, da es von der Gesundheitsbehörde unter Quarantäne gestellt und versiegelt worden ist…
Die Regisseure des vorliegenden „[Rec]“ sollten unter Horrorfans eigentlich keine Unbekannten mehr sein: So hat Jaume Balagueró zuvor den äußerst packenden Thriller „The Nameless“ (1999) und den routinierten „Darkness“ (2002) erschaffen, während sich Paco Plaza für den Werwolf-Film „Romasanta“ (2004) mit Julian Sands verantwortlich gezeigt hat.
Allerdings kann man keines ihrer vergangenen Projekte mit dem aktuellen Festival-Hit vergleichen, denn bei „[Rec]“ handelt es sich nach Aussagen der Verantwortlichen vielmehr um den Versuch, einen Albtraum auf möglichst glaubwürdige Weise zu transportieren, anstatt eine komplexe Geschichte zu konstruieren.
Und man muss zugeben: Dieser Ansatz ist ihnen eindrucksvoll gelungen – sogar so sehr, dass Hollywood bereits ein Remake hat drehen lassen, welches dort noch vor dem Original das Licht der Leinwände erblicken wird. Einen Kommentar dazu darf man sich an dieser Stelle sicher sparen…
Obwohl der Streifen inhaltlich, wie schon erwähnt, eigentlich nichts erzählt, was es nicht zuvor schon in Filmen wie Danny Boyles „
28 Days Later“ (2002) zu bewundern gab, sind es vor allem die klaustrophobische Stimmung und das authentische Dokumentations-Format, die Genreliebhabern eine Adrenalin-haltige Achterbahnfahrt versprechen, welche gegen Ende sogar noch einen gelungenen
Story-Twist bereithält...also doch! Wer allerdings inszenatorische Raffinessen oder grosse schauspielerische Leistungen erwartet, könnte von der Low-Budget-Produktion vielleicht enttäuscht werden!
Zumindest ist „[Rec]“ nach unzähligen
„Torture-Porns“ trotz einiger blutiger Szenen ein erfrischender Schritt zurück zu den wirklich Gänsehaut-erzeugenden Schockern.
Man darf gespannt sein, was Zombie-Legende George A. Romero mit seinem ebenfalls dokumentarisch angelehnten „
Diary of the Dead“ so vorweisen kann - das hier macht schonmal Lust auf mehr…